Reisetagebücher

Bernd Runde

Fidschi, paradiesische Inseln der Südsee (1986)

Ein spitzer Schrei reißt mich aus den schönsten Träumen. Nackt steht meine mir Angetraute in der Terrassentür und genießt mit allen Sinnen dieses Paradies. 'Bula Fiji'


Südsee-Paradies am anderen Ende der Welt


Dort, wo der neue Tag beginnt

“Bula Fiji” - Willkommen auf Fidschi - werden wir kurz vor Mitternacht auf dem Flughafen Nadi von einer charmanten krausköpfigen Vertreterin des Jetabout Reisebüros begrüßt. Sie hängt uns eine hübsche Muschelkette um, wünscht uns schöne und interessante Tage auf Fidschi, sammelt alle Gutscheine für die fest gebuchten Transfers ein und verweist uns an einen dienstbaren Geist, der voller Schwung mit unserem Gepäck loszieht. Völlig übermüdet schlurfen wir hinterher in die Dunkelheit einer Tropennacht und landen in einem Taxi und wenige Minuten später im nahen Hotel.

Schon 30 Minuten nach der Landung liegen wir im Bett, wohlig entspannt und mit dem Gefühl, irgendwo im Paradies gelandet zu sein. Eigentlich merkwürdig, hatten wir doch fast nichts gesehen. Allein die warme, seidenweiche Luft muss dieses Gefühl in uns aktiviert haben, oder war es die Erwartungshaltung, nun in der Südsee - dem Paradies - zu sein?

Das zum britischen Commonwealth gehörende und seit 1970 unabhängige Dominion Fidschi besteht aus 522 Inseln bzw. aus 3 Inseln und 519 Inselchen. Es liegt am Ostrand Melanesiens, und zwar westlich und östlich des 180. Längengrades. Eine Besonderheit ist die Bevölkerungsstruktur dieser Inselgruppe, um die die Datumsgrenze im Osten einen Bogen schlägt. Von den ca. 700.000 Einwohnern sind über 50 % indischer Abstammung und weniger als 300.000 Alt-Fidschianer. Als Arbeiter für die Zuckerrohrplantagen hatten die englischen Kolonialherren zwischen 1879 und 1916 Inder auf die Inseln gebracht. Von 63.000 sind damals 40.000 dort geblieben und ihre Nachkommen stellen heute den Hauptbevölkerungsanteil des Landes.

Ein spitzer Schrei reißt mich aus den schönsten Träumen. Nackt steht meine mir Angetraute in der Terrassentür und genießt mit allen Sinnen dieses Paradies. Das zu ebener Erde liegende Zimmer führt in einen Park, und von dort dringt eine Symphonie fremdartiger Vogelstimmen zu uns herein. Bewaldete Berge im Licht des beginnenden Morgens strahlen in allen erdenklichen Grüntönen. Von all den blühenden und Früchte tragenden Exoten im Park erkennen wir nur die Feigen- und Mangobäume. Interessant, dass letztere Früchte und Blüten gleichzeitig tragen.

Wir beschließen, noch vor dem Frühstück in unser endgültiges Quartier weiterzufahren, um jegliche Unruhe abzulegen und Fidschi genießen zu können. Leider bleibt es beim Versuch, denn Erkundigungen über den Bustransfer zum Hotel “Fijian” ergeben, dass nichts organisiert ist und vor 12:00 Uhr wohl auch keine Überfahrt möglich sein wird. Nur 3 der insgesamt nötigen 5 Transfers sind in dem uns letzte Nacht ausgehändigten Plan verzeichnet. Mit Hilfe eines der uns überall begegnenden überaus freundlichen Einheimischen (vom UTC-Reisebüro), versuchen wir, Licht in das pazifische Dunkel zu bringen.

Zunächst üben wir uns jedoch in urlaubsgerechter Gelassenheit und gehen frühstücken. In einem überdachten Freiplatz, umgeben von einem einzigen Blütenmeer, ist das Frühstücksbuffet eingerichtet. Es schmeckt uns, und wir genießen. Auch die Rechnung kann uns nicht erschrecken; ist es doch der gleiche Betrag wie in Australien. Dass der Fidschi-Dollar doppelt soviel kostet wie der Austral-Dollar, fällt in dieser Atmosphäre nicht ins Gewicht.

Blütenparadies Fidschi Blütenparadies Fidschi © 1986-2016 Bernd Runde

Nach dem Frühstück sind dann auch alle offenen Fragen geklärt; um 13:10 Uhr sollen wir abgeholt werden. Bei ständig steigenden Temperaturen und einer Luftfeuchtigkeit, die es schwierig macht, den Kugelschreiber zu halten, verbringen wir die verbleibende Zeit damit, die Reisenotizen zu aktualisieren. Bei einem kleinen Plausch mit einer Sydneyerin, die von einer USA-Tour zurückkommt, erfahren wir noch etwas über die offizielle Version, warum sie eine geplante Europareise nicht unternommen hat: Die Reise konnte wegen mangelhafter Beteiligung nicht durchgeführt werden, weil zur Zeit niemand in das unruhige Europa will. Eine anscheinend willkommene Ausrede für den schlechten Kurs des A$.

Pünktlich kommt der versprochene Bus, und ab geht es zu unserem Quartier für die nächsten Tage. Die 50-km-Fahrt entlang der Westküste auf der “Queensroad” führt durch eine abwechslungsreiche Landschaft. Das Land zwischen einem schmalen palmenbestandenen Küstenstreifen und dem zentralen Hoch­land ist zunächst landwirtschaftlich genutzt. Es überwiegen kleinbäuerlicher Zuckerrohranbau und Plantagen mit unter anderem Papaias, Mangos und Ananas. Eingestreut in diese üppig wuchern­de Vegetation sind kleine Dörfer und einzeln stehende Bungalows unter Palmen oder im Schatten der alles überragenden Mangobäume mit Stammdurchmessern von mehr als einem Meter, mit den unter lanzettartigen Blättern versteckten grünen Früch­ten und rötlich schimmernden Blütenrispen. Weiter südlich folgt dann niedrig be­wachsenes Steppenland, das auf weiten Flächen mit Kiefern kultiviert wurde. Über allem spannt sich ein wolkenloser Himmel. 30° C zeigt das Thermometer.

Mangoblüten Mangoblüten © 1986-2016 Bernd Runde

Die Fidschis kämpfen vehement gegen einen Verfall der Zuckerpreise auf dem Weltmarkt. Wenn man jedoch sieht, welchen Aufwand allein die manuelle Ernte und der Transport des Zuckerrohrs mit Eselskarren in die Zuckermühle bedeutet und das mit den industriell anmutenden Methoden, z.B. in Australien vergleicht, dann sind hier bestimmt bald ernste wirtschaftliche Auswirkungen zu erwarten. Und wieder wird es das Zuckerrohr sein, das Probleme erzeugt.

Unser Hotel ist eine wundervolle und gepflegte Anlage auf einer kleinen, der Südküste vorgelagerten Insel. Appartements mit 3 Etagen und Bungalows verteilen sich langgestreckt über die ganze palmenbewachsene Küste und sind vom Strand aus kaum zu sehen. Wir haben ein herrlich großes Appartement; vor dem Balkon ein Palmenhain, zwischen dessen hochgereckten Stämmen das Meer herüber grüßt. Zum Greifen nahe, wo die Bucht ins offene Meer übergeht, hängt wie ein Vorhang der Schleier der gegen das Riff tosenden Brandung über dem türkisfarbenen Wasser. Wie fernen Kanonendonner trägt der Wind das Geräusch der Brecher herüber.

Sonne, Strand und Meer Sonne, Strand und Meer © 1986-2016 Bernd Runde

Ganz sacht spült das Wasser der Lagune auf den goldgelben Strand. Wir können nicht widerstehen und schwimmen hinaus durch kristallklares Wasser. Zum Greifen nahe kleine, wie Opale glänzende Korallenfische. Dunkle Flecken im Wasser markieren Korallenstöcke, auch hier sind alle Formen und Arten wunderbar zu erkennen. Man muss nicht tauchen, um das alles sehen zu können, es liegt zum Greifen nahe, denn die Wasseroberfläche ist glatt wie eine Glasscheibe.

Die brennende Mittagssonne, die tiefschwarze Schatten von Palmenwedeln auf den Strand projiziert, wird erträglicher, wenn ab und zu eine Wolke vorbei segelt und Schatten spendet. Den Schatten einer Kokospalme aufzusuchen, vermittelt einen Reiz besonderer Art, es ist das ungute Gefühl, dass eine aus 15 - 20 m Höhe herabfallende Kokosnuss mehr als nur eine kleine Beule verursacht. Auch bei völliger Windstille lösen sich immer wieder Früchte und rauschen aus luftiger Höhe nieder. Täglich werden darüber hinaus Kokosnüsse für die Hotelküche geerntet. Mit bewundernswerter Geschicklichkeit und ohne Hilfsmittel erklimmt ein krausköpfiger Fidschi-Junge den gerippten Palmenstamm und schlägt mit dem Buschmesser die Kokosnüsse ab. Ebenfalls mit dem Busch­messer wird sowohl mit Kraft als auch mit Geschicklichkeit die Spitze der Nuss abgeschlagen, um an den süßen und kristallklaren Saft und an das weiße Kokosfleisch zu gelangen.

Kokosmilch und Kokosfleisch direkt vom Baum Kokosmilch und Kokosfleisch direkt vom Baum © 1986-2016 Bernd Runde

Allerorts wird das Bemühen sichtbar, dem Besucher einen Einblick in alte Fidschi-Traditionen zu gewähren, die Eigenständigkeit dieser alten Kultur aufzuzeigen und gegen den ständig wachsenden indischen Einfluss abzugrenzen. Hier auf Fidschi ist es mehr als nur eine touristische Tradition. Man spürt das engagierte Bemühen, etwas lebendig zu halten, was allzu leicht untergehen könnte. Auffällig auch, dass die Fidschianer nicht nur dort, wo touristische Kontakte bestehen, sondern auch im eigenen Alltagsleben ihre typische Kleidung tragen, die Männer den Sulu - einen Rock, ähnlich dem schottischen Kilt - und die Frauen buntbedruckte Kleider oder Röcke. Kleid und Rock aus “Tappa” allerdings, dem typisch polynesischen Material aus weichgeklopfter Baumrinde, begegnet man nur noch bei folkloristischen Veranstaltungen. Eine solche Veranstaltung ist “Lovo” und “Meke”. Lovo, das Essen, bei dem Fleisch, Fisch und Gemüse in Palmblätter gewickelt im Erdofen auf durchgeglühten Steinen gegart werden, bietet darüber hinaus alle Speisen, die das Land hervorbringt. Eine Besonderheit sind die verschiedenen Erdknollen wie Süßkartoffeln und Tapioka.

Gesang in den traditionellen 'Tappa'-Röcken Gesang in den traditionellen ‘Tappa’-Röcken © 1986-2016 Bernd Runde

Bei rhythmischer Volksmusik genießen wir nicht nur von allem, was das Buffet bietet, sondern die gesamte Südseeatmosphäre, während langsam der glutrote Sonnenball in die Lagune taucht. Es dauert nicht lange, dann ist die pechschwarze Tropennacht hereingebrochen. Fidschi-Folklore - ‘Meke’ - ist angesagt; eine mit sehr viel Engagement dargebotene Veranstaltung mit Gesang und Tanz unter den Palmen am Strand. Lieder über die Schönheit der Inseln, Gesang zu Auszug und Heimkehr der Krieger, Tänze zur Vorbereitung auf kriegerische Konflikte und zur Stärkung des Siegeswillens, Begrüßungs- und Abschiedstänze, alles in traditionellen Trachten. Mit dem Gefühl, einen ganz kleinen Einblick, vielleicht auch nur in das Bemühen, alte Bräuche nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, gewonnen zu haben, geht dieser Tag zu Ende.

Folklore mit Engagement Folklore mit Engagement © 1986-2016 Bernd Runde

So vielfältig und fremdartig das Land, so ist auch das Vogelgezwitscher am Morgen. Wir wachen davon auf und bereiten uns auf einen Besuch der Hauptstadt Suva vor. Entlang der Südküste der Hauptinsel Viti Levu, begleitet von der markanten weißen Linie der Brandung am Riff, geht’s ostwärts, vorbei an kleinen Zuckerrohrfeldern, Dörfern mit Obst- und Gemüsegärten, über den Sigatoka-Fluss.

Wir nähern uns den die Küste streifenden Gebirgsausläufern. Stöhnend quält sich der Bus hinter Naviti Bay die Serpentinen hinauf. Rote Erde säumt die Straße überall dort, wo die Böschungen nach dem Straßenbau nicht sofort überwachsen sind und der tropische Regen die Erde ständig neu frei spült. Wir haben die Wasserscheide überschritten und sind im tropischen Regengebiet. Dichter Dschungel und in den flachen Küstenzonen Mangrovensümpfe säumen die Straße. Wir sehen dem Urwald abgerungene Landflächen mit kleinen Hütten, Reis- und Maisfeldern und kleinen Bananenplantagen.

Die Muschel als Signalhorn Die Muschel als Signalhorn © 1986-2016 Bernd Runde

Kurz vor Suva erreichen wir Orchid-Island, ein als Kulturzentrum aufgebautes und eingerichtetes altes Fidschidorf mit einem tropischen Orchideengarten mitten in einem Mangrovensumpf. Der Priestertempel, die Häuptlings­bure, das Festhaus und einige Nebengebäude bilden das kulturelle Zentrum des bewohnten Dorfes. Eine Gruppe Fidschianer erläutert alte Bräuche und Sitten, Ursprung und Kolonisation der Fidschis, tanzt, singt und veranstaltet eine Yaquona-Zeremonie, das traditionelle Willkommen für alle Fremden. Es ist beeindruckend, mit welcher Hingabe die Gruppe bei der Sache ist. Hier ist ganz offensichtlich ein Teil des Bemühens zu erkennen, Eigenständigkeit gegenüber den indischen Einwanderern zu demonstrieren.

Die Häuptlingsfamilie Die Häuptlingsfamilie © 1986-2016 Bernd Runde

Beim Studium der Tageszeitung “The Fiji Times” - sie nennt sich übrigens “Die erste Zeitung, die heute in der Welt erscheint” - (Fiji liegt nur wenige Kilometer westlich der Datumsgrenze), ist zu spüren, dass es Spannungen zwischen den Eingeborenen und den inzwischen die Mehrheit bildenden indischen Einwanderern gibt. Ganz deutlich tritt der indische Einfluss in Suva zu Tage. Die Stadt könnte auch in Indien liegen, im Straßenbild Saris und Turbane; in allen Geschäften Inder. Wenn nicht im Straßenbild ab und zu ein melanesisch-fidschianisches Gesicht auftauchen würde, man hätte Schwierigkeiten mit der geographischen Zuordnung.

Nur wenig geht die Lufttemperatur von 30°C auf 23°C am Abend zurück. Ländliches Leben allerorts, auffallend viele Gesprächsgruppen vor den Häusern, spielende Kinder und badende Gruppen in den Flüssen. Am Himmel treiben schwarze Wolken, und ein kräftiger Wind zaust an den riesigen Wedeln der Palmen. Innerhalb weniger Minuten nachdem die Sonne hinter dem Horizont verschwunden ist, legt sich tiefe Dunkelheit über den Park, die Schattenrisse der Palmen verschmelzen mit der Nacht. Nur das Rauschen des Windes bleibt.

Ein Erlebnis besonderer Art ist eine Wanderung durch die Korallenwelt der Lagune, die bei Ebbe fast völlig frei liegt. In allen Farben des Regenbogens schillern kleine und kleinste Fische in den Wassertümpeln zwischen den bizarren Korallenstöcken, kleine Krebse versuchen, dem abziehenden Wasser zu folgen oder verstecken sich in Ritzen und Höhlen. Je länger man sich in dieser, zunächst unscheinbaren Welt bewegt, umso mehr entdeckt das Auge von der Vielfalt in diesem Lebensraum. Direkt vor uns tobt das offene Meer gegen die äußere Riffkante; wir haben den Rand der Lagune erreicht. Es ist ein erhebendes Gefühl, abseits jeder Zivilisation inmitten dieser uns fremden aber faszinierenden Natur zu sein. Fremd­artig ist aber nicht nur die Natur. Fremdartig muten auch andere Erlebnisse an.

Unerträgliche Zahnschmerzen bewegen mich, in Sigatoka die Klinik aufzusuchen. Mit dem Taxi lasse ich mich dorthin fahren. Der Taxifahrer lässt es sich nicht nehmen, mich zu begleiten, bis wir in dem Barackenkomplex das richtige Zimmer gefunden haben. Diagnose und Rezeptkosten 4,– DM, und für 2,94 DM bekomme ich in der Apotheke in Sigatoka handgedrehte Pillen. Ohne Schmerzen kann ich meine Südseereise fortsetzen.

Es gibt aber eine neue Überraschung. Heute, wir wollen zu einer mehrtägigen Insel-Kreuzfahrt starten, fegt der Sturm pechschwarze Wolken über die Lagune und die Insel. Am Riff tobt das Meer. Wir erreichen gerade noch die im Stil eines alten Fidschihauses gebaute Frühstücksterrasse, bevor ein tropischer Regenguss die Bucht überschüttet. Es gehen Wassermassen nieder, mit denen man den ganzen Swimmingpool hätte füllen können, aber schon 1 Stunde später kommen die Sonnenstrahlen wieder durch. Vorweggenommen: Das war das ganze Kontingent schlechten Wetters während dieser Reise. Ganz sicher sind wir aber, dass sich hinter der Meldung der Fiji-Times: “Wetter in Frankfurt 17°C, Regen” etwas anderes als ein einstündiger Tropenschauer verbirgt.

Das Frühstücks-Büffet ist gerichtet Das Frühstücks-Büffet ist gerichtet © 1986-2016 Bernd Runde

Kreuzfahrt durch Buchten und Lagunen der Yasawa-Inseln

Am Nachmittag dann, wir fahren die Queensroad zurück über Nadi nach Lautoka, der Zuckermetropole der Fidschis, spüren wir am eigenen Leib, welche Wirkung die nur etwas über 1.000 Meter hohen Berge auf das Klima der Insel haben. Der Südost-Passat erreicht die Nordwestküste überhaupt nicht. Erbarmungslos strahlt die Sonne vom azurblauen Himmel, als wir den Hafen von Lautoka erreichen, um eine Kreuzfahrt durch Buchten und Lagunen der zu den Fidschis gehörenden Yasawa-Inseln anzutreten. Die Abfertigung geht ruck-zuck. So viel wohldosierte und unauffällige Organisation wie hier auf Fidschi haben wir selten erlebt.

Als wir um 18:00 Uhr die M.S.Orlanda betreten, steht das Gepäck schon in einer der 22 Kabinen. Die Kabine ist klein, aber sauber. Wir werden sie wohl auch kaum benötigen, wenn auch nur die Hälfte davon stimmt, was im Prospekt steht.

Um 19:00 Uhr tuckert der Lagunenkreuzer in die tropische Nacht hinaus. Wir sind in Hochstimmung ob der Dinge, die da kommen sollen. Das Kreuz des Südens steht am sternenübersäten Nachthimmel. Nach 45 Minuten, die Lichter von Lautoka glitzern am Horizont, gehen wir vor Anker. 20:00 Uhr, legere Kleidung ist angesagt, wird zum Kapitänsdinner geläutet. Es wird geplaudert, man macht sich bekannt. Das übliche “Wo kommst Du her?” “Was hast Du noch vor?” “Schon ‘mal hier gewesen?”. Wir sind 38 Gäste an Bord: Australier, Südafrikaner, Österreicher, Schweden, Italiener, Kanadier und Libanesen. Einige Pärchen sind auf Hochzeitsreise. Wie sich herausstellt, sind die Yasawas ein beliebtes Hochzeitsreiseziel für die Australier, so, wie für uns Europäer, Venedig.

Dass der neue Tag einmal in unserer Erinnerung unauslöschlich sein wird, können wir morgens noch nicht ahnen, als um 06:30 Uhr das Geräusch des Ankerlichtens die nächtliche Ruhe beendet.

Schon während des Frühstücks verstärken sich die unruhigen Schwankungen des Schiffes, und stürmische Stunden folgen. Wie ein Gummiball tanzt das Schiff auf den Wellen in der offenen See. Die wenigen Passagiere, die sich an Deck trauen, liegen oder stehen kreidebleich in Nähe der Reling und versuchen mühsam gegen die krampfenden Eingeweide anzukämpfen. Es sind aber nur ca. 35 Meilen, dann gleiten wir durch eine schmale Rinne im äußeren Riff in die Lagune einer Insel.

Urplötzlich hören die Schaukelbewegungen auf, und langsam bevölkert sich auch das Sonnendeck wieder. Ah’s und Oh’s, und das klickende Geräusch der Fotoapparate begleiten das Schiff entlang einer Szenerie, deren Beschreibung bei jedem, der nicht dabei war, auf Skepsis stoßen muss. Es ist die Insel “Nacula”, an deren Westküste wir vorbei gleiten. Durch das hellgrüne Wasser der Lagune sind alle Einzelheiten des Meeresbodens zu erkennen. Die niedrig bewachsene grüne Insel ist von einem Gürtel hoch­aufgeschossener Kokospalmen umsäumt. Ein schmaler Strich blendend weißen Strandes markiert die Linie, wo sich die Insel aus dem kristallklaren Wasser erhebt.

In einer malerischen Bucht wird geankert. Wer nicht an Land schwimmt, wird mit dem Beiboot am Palmenstrand abgesetzt. Jeder findet sein Vergnügen, sei es beim Schwimmen, Schnorcheln, Sonnen, Faulenzen oder bei einem ausgedehnten Spaziergang in paradiesischer Einsamkeit. Die Schiffsbesatzung hat unsere Abwesenheit genutzt und Steaks und Würstchen gegrillt. Ein lecker anzusehendes Salatbuffet ist aufgebaut, und zum Nachtisch gibt’s Kokosnussmilch und Kokosnussfleisch aus dem reichhaltigen Angebot am Strand.

Als nächsten Punkt steuern wir eine zerklüftete vulkanische Gebirgsinsel an, steigen dort einige Meter über Meereshöhe in eine Höhle und stehen vor einem unterirdischen See. Durch Öffnungen in der Felskuppel flutet das Sonnenlicht herein. Wie ein Aquamarin schimmert der kleine See. Das Wasser ist angenehm warm und lädt zu einem einmaligen Schwimmerlebnis ein.

Während der Weiterfahrt zum abendlichen Ankerplatz vor dem Südzipfel der Insel Yasawa übernimmt unser Beiboot noch Taxidienste und bringt einige einheimische Frauen von einem nahen Dorf nach Tamasuha. Bevor wir an Land gehen dürfen, holt der Kapitän vom Dorfältesten dafür die Genehmigung ein. Das 2OO-Seelen-Dorf liegt am Fuß einer Hügelkette, direkt am Meer, an einer kleinen Bucht. Vor der Bucht ragt ein einsamer Felsen aus dem Meer: Der heilige Ort des Dorfes. Hier wurde der letzte Häuptling begraben, und von hieraus beschützt seine Seele das Dorf und seine Bewohner, wie unser Chef-Steward, der von hier stammt, uns erzählt. Voller Stolz berichtet er auch über das Leben der Dorfgemeinschaft, über Schule, Wasserversorgung, Religion der aus drei Sippen mit insgesamt 200 Mitgliedern bestehenden Gemeinschaft, über den weiten Weg mit dem Boot zum Markttag nach Lautoka und über das funktionierende Sozialsystem “Dorf”, so weit ab von der Zentralregierung in Suva.

Ein Rundgang, bei dem wir das Dorf nicht stören und selbst auch nicht belästigt werden, führt vor das Gemeindehaus, wo Frauen und Mädchen auf Tüchern Muschel- und Korallenarbeiten zum Verkauf ausgebreitet haben. In angenehmer Atmosphäre, und vor allem in Ruhe können die hübschen Arbeiten begutachtet und verglichen werden, bevor wir unsere Auswahl treffen. Natürlich sind das die ersten Anfänge einer Touristenversorgung, aber noch kommt das Gefühl nicht auf, vermarktet zu werden.

Kleiner dörflicher Markt mit Handarbeiten Kleiner dörflicher Markt mit Handarbeiten © 1986-2016 Bernd Runde

Für die kommende Nacht bleiben wir in der kleinen Bucht vor Anker. Der Sonnenuntergang zaubert einen prächtigen Himmel, der sich über die Silhouetten der Palmen spannt. Fast ohne Dämmerung legt sich tiefschwarze Nacht über die Bucht, unmittelbar nachdem die Sonne am Horizont glutrot ins Meer getaucht ist. Eine angesagte Folklore-Veranstaltung wird leider auf übermorgen verschoben.

Um 07:00 Uhr des nächsten Morgens sind wir wieder munter, nehmen ein Bad in der Lagune und bereiten uns auf das 08:00 Uhr-Frühstück vor. Während wir es uns auf dem offenen Bootsdeck schmecken lassen, legt das Schiff ab. Unser nächstes Ziel: Die Bucht vor Malakati. Es erwartet uns gelber Sand, blauer Himmel, weiße Wölkchen, grüne Berge, Palmen und das Meer in allen Blautönen.

Eine Landschaft zum verlieben Eine Landschaft zum verlieben © 1986-2016 Bernd Runde

Das ist ein Platz, wo die Phantasie Wirk­lichkeit und die Wirklichkeit ein Teil der Phantasie ist. Es ist auch die richtige Umgebung, um Gedanken und Eindrücke der vergangenen Tage festzuhalten. Hier bedeutet alles Ruhe und Erholung! Es geht so herrlich informell und ungezwungen zu; das übertrifft all’ unsere Erwartungen. Ein weiterer Höhepunkt ist der Strand von Nanuya. Noch zwei weitere Schiffe liegen nur 10 Meter vom Strand entfernt vor Anker, mit 2 Kokosseilen an strandnahen Palmen gesichert.

Bei einer mehrstündigen Wanderung entlang der durch die Ebbe freigefallenen Lagune bis an den Südzipfel der Insel, genießen wir dieses Fleckchen Erde und unterbrechen sehr oft unseren Schritt, um die Schönheit und die besondere Stimmung dieser Insel in Film und Foto festzuhalten. Plötzlich wechselt das Uferbild. Der palmenbestandene Ufer­saum geht in sumpfiges Gelände mit undurchdringlichen Mangrovensümpfen über.

Die gesammelten Muscheln, eine schöner als die andere, sorgen in der folgenden Nacht für Unruhe. Die ver­meintlich leeren Muscheln wandern durch unsere Kabine, denn sie sind von Einsiedlerkrebsen bewohnt. Am Morgen bekommen die natürlich wieder ihren Platz in der Lagune zurück.

Nach abgeschlossener Inselerkundung wird auch hier das typische “Lovo” serviert, auf heißen Steinen in einem Erdloch Gegartes: Fleisch, Fisch, Spargel, Erbsen, süße Kartoffeln, Tapioka usw.. Man kann sich die Namen gar nicht alle merken. Es schmeckt heute besonders gut, so mitten in der freien Natur. Die tiefschwarze Nacht wird durch einige in den Boden gesteckte Pechfackeln erhellt. Es wird eine lange Nacht.

Die Bucht von Somosomo Die Bucht von Somosomo © 1986-2016 Bernd Runde

Um 06:00 Uhr des letzten Tages dieser Kreuzfahrt ist unser Dampfer schon wieder unterwegs, nach Naviti Island. Müßig, zu erwähnen, dass es wiederum eine wunderschöne Bucht ist, in der wir vor Anker gehen. Der Kapitän lässt sich in das unter Palmen versteckte Dorf “Somosomo” übersetzen. Er will die versprochene Folklore-Ver­anstaltung arrangieren. Wie wir dann beim Frühstück erfahren, hat sich der Dorfälteste trotz der frühen Morgenstunde dazu bereit erklärt. Mit den Beibooten wird eine muntere und fröhliche Schar Dorfbewohner in farbenprächtigen Gewändern, mit Blüten im Haar, frisch geflochtenen Blumenkränzen, Baströckchen, Palmwedeln, Blumen, Fächern und Speeren an Bord geholt. Auf dem Bootsdeck wirbelt dann das ganze Dorf herum. Tanz und Gesang werden mit rhythmischem Klatschen begleitet. Mit strahlenden Gesichtern und viel Hingabe ist man auch hier bei der Sache, Jung und Alt.

Tanz und Gesang Tanz und Gesang © 1986-2016 Bernd Runde

Dann heißt es Abschied nehmen von den Yasawas und seinen sympathischen Bewohnern. Die Fahrt geht im Westen von Naviti Island vorbei gen Süden. In strahlend sattem Grün gleiten die Berge der Inseln an uns vorüber. Der Übergang vom tiefblauen Meer zum Ufer ist durch einen nicht enden wollenden schmalen Streifen goldgelben Strandes markiert. Man könnte jedes Fleckchen davon im Bild festhalten, wenn man nur noch mehr Filmmaterial hätte. Die offene See ist heute ruhig.

Beim Abendessen wieder im Hotel Mocambo in Flughafennähe - es ist alles vorbereitet für den Weiterflug auf die Gesellschaftsinseln - bleibt Zeit, die Tage auf Fidschi noch einmal Revue passieren zu lassen.

Das selbst zusammengestellte Programm hat uns interessante und abwechslungsreiche Tage beschert, bei dem noch genügend Zeit für erholsame Entspannung blieb. Wir haben einen Einblick in die einmalige Natur dieser Inselwelt gewonnen, fremde Menschen und ihre Bräuche kennengelernt. Offen bleibt eigentlich nur die Frage, ob es den melanesischen Fidschianern gelingen wird, den Aufbruch in die Zukunft mit der Rückbesinnung auf alte Traditionen zu verknüpfen, wie es ein Dorfältester formuliert hat. Oder sollten die Krawalle und Ausschreitungen gegen die Inder, von denen aus einigen Dörfern berichtet wurde, schon das Ende vom Anfang signalisieren?

Mit freudigem Erstaunen kommentiert die einheimische Bedienung meinen leeren Teller: Sogar das Fidschi-Gemüse haben Sie gegessen? Dass es besonders gut geschmeckt hat, Süßkartoffeln und Tapioka, erfreut sie sichtlich. Beherzt empfiehlt sie mir zum Nachtisch Pamkin-Torte. Auch die schmeckt. Unsere Unwissenheit über Pamkin klärt sie mit einer halben Brotfrucht aus der Küche auf, oder war es eine Papaya? Man ist sich wieder ein Stück nähergekommen, - Frem­der und Gastgeber.

Den Abreisetag müssten wir eigentlich streichen. Ein verlorener Tag, dieser 9.September, wenn da nicht …. Aber immer der Reihe nach. Spät, dafür aber ausgeschlafen, wird amerikanisch gefrühstückt - mit allem drum und dran, Saft, Obst, Speck, Eier usw. Das Kofferpacken ist auch schon Routine. Erstaunlich, was alles in einen Koffer passt, wenn man ihn in Ruhe packen kann. Um 12:30 Uhr checken wir aus, denn um 13:00 Uhr soll unser Bus kommen. Sollte, denn 2 Stunden später gammeln wir immer noch am Swimmingpool und in der Hotelhalle herum. Endlich, mit über 2 Stunden Verspätung, inzwischen ist der Beurteilungsbogen für Suntours wegen Unpünktlichkeit geändert, fährt der Bus vor.

Aufregung oder gar Hektik sind trotz allem nicht angebracht. Über den Hotellautsprecher wurde inzwischen verkündet, dass sich der Flug TE 178 nach Rarotonga um 1 Stunde verspätet. Wir sind schon dabei, unser Gepäck zu verstauen, als der verzweifelt in einer Liste suchende Busfahrer verkündet, dass wir darin gar nicht verzeichnet seien. Konnten wir auch nicht, denn bald stellt sich heraus, dass dieser Bus die Gäste für die Blue Lagoon Cruise abholen soll. Nach telefonischer Klärung nimmt er uns trotzdem zu dem am Wege liegenden Flughafen mit. Dort sind dann ruck-zuck alle Formalitäten erledigt, als über den Lautsprecher verkündet wird, dass die Verspätung sich auf 3 Stunden ausgedehnt hat.

Jetzt fängt die Gammelei so richtig an. Unsere italienischen Freunde treffen noch Bekannte, mit denen wir ein Schwätzchen halten. Und dann war da noch die Handgepäckkontrolle mit der selbstverständlichen manuellen Inspektion der Fototasche. It’s really funny. Objektiv von der Kamera, Objektivdeckel abschrauben, durchschauen, prüfen hier und prüfen da, jede Filmschachtel extra öffnen. Ein Glück, dass das Flugzeug nicht draußen auf dem Rollfeld wartet.

Endlich, 18:00 Uhr, die Maschine aus Auckland ist gelandet. Um 18:40 Uhr rollen wir endlich hinaus zum Startplatz.

Fiji vinaka! Ab morgen heißt es dann “ia ora na” (guten Tag) und “maururu” (danke).


Die Weltreise geht weiter


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